Kanzlei Fathieh – Rechtsanwälte in Heidelberg

Informationen für den Kalendermonat September 2010

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Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 9/2010:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschaftsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Vertragsrecht: Wirksamkeit eines „Anlernvertrags“ für einen anerkannten Ausbildungsberuf

Nach § 4 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz ist die Ausbildung für einen anerkannten Ausbildungsberuf nur nach der Ausbildungsordnung zulässig.

Die Ausbildung muss nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) grundsätzlich in einem Berufsausbildungsverhältnis stattfinden. Soll ein solches nicht vereinbart werden, könne stattdessen auch ein Arbeitsverhältnis begründet werden. Es sei nach Ansicht der Richter jedoch unzulässig, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis, etwa einem „Anlernverhältnis“, durchzuführen. Derartige Verträge seien wegen des Gesetzesverstoßes insgesamt nichtig. Trotzdem eingegangene „Anlernverhältnisse“ seien für den Zeitraum ihrer Durchführung entsprechend den Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage (sog. faktisches Arbeitsverhältnis) wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln. Zu zahlen sei die für Arbeitsverhältnisse übliche Vergütung, nicht jedoch eine geringere „Anlernvergütung“ (BAG, 3 AZR 31/08).

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Unterschlagung: Notarielles Schuldanerkenntnis ist nur beschränkt anfechtbar

Gibt ein Arbeitnehmer zu, im Arbeitsverhältnis Unterschlagungen begangen zu haben, und unterzeichnet er vor einem Notar ein Schuldanerkenntnis, so kann er gegen dessen Wirksamkeit grundsätzlich nicht mit Erfolg einwenden, die Methoden zu seiner Überführung seien unzulässig gewesen.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Verkäufers in einem Getränkemarkt hin. Nachdem durch Inventuren erhebliche Fehlbestände an Leergut aufgefallen waren, hatte der Arbeitgeber Langzeitauswertungen vorgenommen. Zudem wurde eine für den Verkäufer nicht erkennbare Videokamera über dem Arbeitsplatz an der Getränkemarkt-Kasse angebracht. Nach Darstellung des Arbeitgebers ergab die Videoauswertung Unterschlagungen des Verkäufers binnen dreier Arbeitstage in Höhe von 1.120,00 EUR. Die Kassenauswertung ergab für zwei Monate einen Schaden von über 10.000,00 EUR. Damit wurde der Verkäufer im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden konfrontiert. Er gab zu, seit vier Jahren regelmäßig Geld genommen und dies mit fingierten Pfandbonzetteln verdeckt zu haben. Nach anfänglich kleinen täglichen Beträgen, die nicht aufgefallen seien, habe er zeitweise zwischen 500,00 und 600,00 EUR täglich entnommen. Er bestätigte handschriftlich, innerhalb von vier Jahren einen Gesamtschaden von wenigstens 110.000,00 EUR verursacht zu haben. Später fuhr man zu einem Notar. Dort unterzeichnete der Verkäufer ein vom Notar formuliertes Schuldanerkenntnis wegen von ihm begangener vorsätzlicher unerlaubter Handlungen in Höhe von 113.750,00 EUR zuzüglich Zinsen. Ein halbes Jahr später ließ er seine Willenserklärung im notariellen Schuldanerkenntnis aus allen Gesichtspunkten anfechten und verlangte klageweise die Urkunde wegen Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts heraus.

Die Klage blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Einwände gegen die Höhe des von ihm verursachten Schadens oder gegen die Art und Weise, wie er überführt wurde, könne der Verkäufer nach Ansicht der Richter gegen das notarielle Schuldanerkenntnis nicht ins Feld führen. Mit Unterzeichnung des Anerkenntnisses habe er solche bekannten Einwände aufgegeben. Der Inhalt der notariellen Urkunde stelle sich auch nicht als sittenwidrig dar. Zwar sei die Summe hoch, im Verhältnis zu dem vorausgegangenen Geständnis und zu den Feststellungen, die der Arbeitgeber gemacht habe, sei der Schadensbetrag aber vorsichtig kalkuliert. Der Arbeitgeber habe auch keine Geschäftsunerfahrenheit des Verkäufers ausgenutzt. Die Drohung mit einer Strafanzeige erscheine angesichts des vom Verkäufer selbst eingeräumten Sachverhalts nicht als unverhältnismäßig. Grundsätzlich könne ein unterzeichnetes notarielles Schuldanerkenntnis nicht erfolgreich mit den Argumenten angegriffen werden, die vor Unterschrift gegen die Forderung des Gegners hätten erhoben werden können (BAG, 8 AZR 144/09).

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Personalratsanhörung: Pauschalbegründung bei Anhörung während der Probezeit ausreichend

Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei Anhörung des Personalrats vor einer Probezeitkündigung richtet sich nicht nach den objektiven Merkmalen des § 1 KSchG, sondern nach den subjektiv den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers prägenden Umständen. Die Mitteilung subjektiver Wertungen, aus denen ein solcher Entschluss hergeleitet wird, ist daher ausreichend.

Das verdeutlichte das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Krankenhausdirektorin. Wegen Unstimmigkeiten beabsichtigte der Arbeitgeber, ihr noch während der Probezeit ordentlich zu kündigen. Er hörte zur beabsichtigten Probezeitkündigung den bei ihm bestehenden Personalrat mit folgender Begründung an: „Die Arbeitnehmerin hat sich nicht bewährt. Sie ist nicht geeignet, die ihr übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Das für eine dauerhafte Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis hat aufgrund der mangelnden persönlichen Eignung der Arbeitnehmerin nicht aufgebaut werden können.“ Nach der Stellungnahme des Personalrats kündigte der Arbeitgeber fristgemäß innerhalb der vereinbarten Probezeit. Die Arbeitnehmerin ist der Auffassung, die Begründung sei zu pauschal und damit die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt.

Das sah das BAG nicht so. Die Richter hoben in Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung des BAG hervor, dass weder bei einem privaten noch bei einem öffentlichen Arbeitgeber die innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses ausgesprochene Kündigung einer sozialen Rechtfertigung im Sinne des § 1 KSchG bedürfe. Hieran sei auch der Inhalt der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Personalratsanhörung (bei privatwirtschaftlichen Arbeitgebern der Betriebsratsanhörung) zu messen. Stütze daher der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss nicht auf Gründe, die durch Tatsachen konkretisierbar seien, reiche es bei einer solchen Kündigung aus, wenn dem Personal- bzw. Betriebsrat subjektive Wertungen, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen, mitgeteilt würden. Auch eine – wie im vorliegenden Fall gegebene – pauschale Mitteilung solcher subjektiven Wertungen erfülle diese Anforderung. Eine detaillierte Begründung könne im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur Probezeitkündigung nicht verlangt werden (BAG, 6 AZR 828/08).

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Kündigungsrecht: Beleidigung muss nicht immer zur Kündigung führen

Die Äußerung eines Bauarbeiters zu seinem vorgesetzten Polier „Komm her du Arschloch, ich hau dir paar in die Fresse“ stellt eine Beleidigung dar, die an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Bei der notwendigen Einzelfallbetrachtung komme es nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern aber sowohl auf den Vorlauf des Dialogs, der zu der Äußerung führte, als auch auf das weitere Geschehen an. Sei die Beleidigung eine Reaktion auf eine in der Sache nur schwer nachvollziehbare und im Ton missglückte Anweisung des Vorgesetzten, könne es an der für die Kündigung notwendigen „groben Beleidigung“ fehlen. So sei es im vorliegenden Fall gewesen. Der Polier habe den Bauarbeiter auf ebenfalls beleidigende Weise lautstark vor allen Kollegen beim Aufräumen fünf Minuten vor Feierabend zu schnellerer Arbeit angetrieben (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 5 Sa 254/09).

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Baurecht

Baumangel: BGH ändert Rechtsprechung zur Berechnung des Schadenersatzanspruchs

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Umsatzsteuer auf voraussichtliche Mängelbeseitigungsaufwendungen als Schadenersatz nicht verlangt werden kann, solange der Mangel nicht tatsächlich beseitigt worden ist.

Diese Entscheidung erging im Fall eines Bauherrn, der ein Einfamilienhaus errichten ließ. Es waren Mängel vorhanden, die der Bauunternehmer trotz Aufforderung mit Fristsetzung nicht beseitigte. Für die Beseitigung der Mängel waren Aufwendungen in Höhe von 9.405 EUR netto erforderlich. Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Bauherr als Schadenersatz, über den er frei verfügen kann und den er nicht zur Mängelbeseitigung verwenden muss, auch die Umsatzsteuer auf diesen Betrag verlangen kann, wenn er die Mängel noch nicht beseitigt hat. Der BGH hat dies nun verneint. Zwar ist die Entscheidung im Lichte der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ergangen. Daher sei sie auf Schadenersatzansprüche im Werkvertragsrecht nicht anwendbar. Sie enthalte jedoch eine gesetzliche Wertung für vergleichbare Fälle. Verlange der Auftraggeber den Bruttobetrag vor einer Mängelbeseitigung, so sei er im Werkvertragsrecht ausreichend dadurch geschützt, dass er einen auch die Umsatzsteuer umfassenden Vorschussanspruch geltend machen könne. Diesen müsse er allerdings zur Mängelbeseitigung verwenden (BGH, VII ZR 176/09).

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Kellerbau: Unternehmer kann für Prüfung der örtlichen Bodenverhältnisse verantwortlich sein

Zu einem funktionstauglichen Keller gehört eine ausreichende Abdichtung gegen eindringendes Wasser. Errichtet ein Bauunternehmer einen Keller, in den Wasser eindringt, ist der Keller nicht funktionstauglich.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Die Richter machten dabei deutlich, dass es vor allem von den örtlichen Bodenverhältnissen abhänge, welche Maßnahmen der Bauunternehmer zum Schutz des Kellers gegen eindringendes Wasser treffen müsse. So würde es sich bei den Bodenverhältnissen um einen Umstand handeln, der als „vom Besteller gelieferter Stoff“ anzusehen sei. Übernehme nun der Bauunternehmer in einem „Kellerbauvertrag“ die Erstellung eines Fertigkellers, bei dem keine zusätzliche Einschaltung eines Architekten durch den Bauherrn vorgesehen sei, könne eine Auslegung des Bauvertrags nahelegen, dass der Bauunternehmer auch bestimmte erforderliche Planungsleistungen erbringen müsse. Er sei in diesem Fall auch für eine Prüfung der örtlichen Bodenverhältnisse verantwortlich (OLG Karlsruhe, 4 U 129/08).

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Erschließung: Zufahrtsweg muss mindestens 2,5m breit sein

Ein landwirtschaftliches Anwesen im Außenbereich ist durch einen öffentlichen Feldweg nicht ausreichend erschlossen, wenn dessen Fahrbahnbreite weniger als 2,5 Meter beträgt.

Mit dieser Begründung wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Klage eines Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung ab. Die Richter erläuterten, dass die Baugenehmigung nur erteilt werden könne, wenn eine ausreichende Erschließung gesichert sei. Damit solle gewährleistet werden, dass das Baugrundstück für Kraftfahrzeuge erreichbar sei. Die Zufahrtsmöglichkeit müsse eine Mindestfahrbahnbreite von 2,5 Meter haben. Diese Breite sei erforderlich, damit der Weg auch tatsächlich von Personenkraftwagen, kleineren Kraftfahrzeugen der Polizei, der Feuerwehr, des Rettungswesens und der Ver- und Entsorgung sowie kleineren landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahren werden könne. Weise ein öffentlicher Feldweg diese Voraussetzung nicht vor, sei er zur Erschließung des landwirtschaftlichen Anwesens nicht geeignet (BayVGH, 1 B 09.2123).

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Straßenlaterne: Standort vor Wohnhaus muss geduldet werden

Der Eigentümer eines Grundstücks muss eine Straßenlaterne vor seinem Wohnhaus hinnehmen.

So entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in einem Rechtsstreit über die Neugestaltung des Bahnhofsumfelds in Neuwied. Bisher befand sich im Abstand von ca. 2 m vor dem Wohnhaus des Klägers eine Straßenleuchte. Sie wurde durch eine Straßenlaterne ersetzt, welche ca. 10 cm vor dem Wohnhaus des Klägers aufgestellt wurde. Der eigentliche Leuchtkörper hängt an einem Ausleger und ragt ca. 1,50 m vor der Hauswand in den Gehwegbereich hinein. Der Kläger hat die Beseitigung der Straßenlaterne begehrt. Daraufhin verpflichtete das Verwaltungsgericht die Stadt, die Straßenleuchte so zu verändern, dass im Obergeschoss des Wohnhauses ein Lichteinfall von mehr als 1 Lux vermieden wird.

Aufgrund der Berufung der Stadt hat das OVG die Klage insgesamt abgewiesen. Die Richter entschieden, dass der Kläger die von der Straßenlaterne ausgehenden Lichtimmissionen hinnehmen müsse. Sie seien im innerstädtischen Bereich – hier des Busbahnhofs – ortsüblich. Sie würden weder die Nutzung des Grundstücks in Frage stellen noch zu Gesundheitsgefahren der Bewohner des Wohnhauses führen. Außerdem könnten die Nutzer des Anwesens die Beeinträchtigungen, etwa durch das Schließen der Rollläden, mindern. Die Straßenleuchte sei auch nicht willkürlich aufgestellt worden. Ihr Standort beruhe auf einem nachvollziehbaren Straßenbeleuchtungskonzept und befinde sich in der Nähe der beseitigten Straßenlaterne (OVG Rheinland-Pfalz, 1 A 10474/10.OVG).

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Familien- und Erbrecht

Kindesunterhalt: Auch Minderjährigen kann fiktives Einkommen zugerechnet werden

Minderjährige Kinder, die nicht mehr den Einschränkungen des Gesetzes zum Schutz der arbeitenden Jugend und der vollzeitigen Schulpflicht unterliegen, sind auch dann von einer Erwerbspflicht nicht gänzlich entbunden, wenn sie sich in einer Teilzeitausbildung befinden.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall eines 17-Jährigen hin. Dieser besuchte einen VHS-Kurs, um den mittleren Schulabschluss zu erlangen. Der Kurs fand an drei Wochentagen jeweils drei Stunden statt. Die Richter machten deutlich, dass Unterhaltsleistungen nur zweckgebunden geschuldet würden. Die nachhaltige Verletzung der Ausbildungsobliegenheit könne deshalb den Unterhaltsanspruch entfallen lassen oder zumindest die Bedürftigkeit des Berechtigten mindern. Folglich könnten bei minderjährigen Kindern auch fiktive Einkünfte angerechnet werden. Im vorliegenden Fall sei es dem 17-Jährigen zuzumuten, seinen Bedarf teilweise durch die Ausübung einer geringfügigen Erwerbstätigkeit neben dem Kurs-Besuch zu decken (OLG Düsseldorf, II-8 WF 117/10).

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Wohnungszuweisungsverfahren: Auf den Beitrag der dauernden Streitigkeiten kommt es nicht an

Können Eheleute mit den gemeinsamen Kindern in der Ehewohnung seit der Trennung nicht mehr erträglich nebeneinander wohnen, kann es zum Wohl der Kinder dringend erforderlich sein, dass einer der Elternteile aus der Wohnung gewiesen wird.

Dies sei nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg der Fall, wenn eine Vielzahl einzelner Vorfälle mit sehr heftigen verbalen Auseinandersetzungen vorliege, insbesondere wenn es dabei um die stark abweichenden Ansichten zur Erziehung und Behandlung der Kinder gehe. Dagegen sei nicht von Bedeutung, welcher der Elternteile welchen Beitrag zu den dauernden Streitigkeiten geleistet habe. Nach Ansicht der Richter sei es nicht erforderlich, dass das Fehlverhalten ausschließlich von dem der Wohnung verwiesenen Elternteil ausgeht (OLG Brandenburg, 9 WF 40/10).

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Trennungsunterhalt: Keine einkommensmindernde Berücksichtigung ohne Zahlungsnachweis

Bei Berechnung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt für eine getrennt lebende Ehefrau muss das Gericht Beiträge für eine Krankenversicherung nicht einkommensmindernd berücksichtigen, wenn nur der Krankenversicherungsschein zu den Akten gereicht wird.

Hierauf machte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz aufmerksam. Für eine Einbeziehung in die Unterhaltsberechnung sei es nach Ansicht der Richter erforderlich, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ein Nachweis für die Zahlung des monatlichen Versicherungsbeitrags vorliege (OLG Koblenz, 13 UF 457/09).

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Testament: Gericht muss auf mögliche Demenz des Verfassers eingehen

Trägt ein möglicher Erbe vor, ein Testament sei wegen fortschreitender Demenz des Verfassers unwirksam und kann er sich auf ein Sachverständigengutachten und den Bericht eines Internisten berufen, so muss das Gericht auf die Frage der Testierunfähigkeit eingehen.

Ansonsten ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) der Anspruch des Erben auf rechtliches Gehör verletzt. Die Richter machten zudem darauf aufmerksam, dass es dabei grundsätzlich zulässig sei, dass in einem Testament auf eine andere wirksame letztwillige Verfügung, insbesondere auf ein notarielles Testament, verwiesen werde. In einem solchen Fall der Bezugnahme auf eine andere formwirksame letztwillige Verfügung von Todes wegen sei es auch nicht erforderlich, dass das verweisende Testament selbst isoliert verständlich bleibe und die Bezugnahme lediglich der Erläuterung diene (BGH, IV ZR 21/09).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Nebenkosten: Installation eines Messgeräts zum Wärmeverbrauch muss geduldet werden

Beabsichtigt der Gebäudeeigentümer, eine bisher vorhandene Lücke bei der Erfassung des Wärmeverbrauchs in einer Wohnung durch die Installation eines zusätzlichen Messgeräts zu schließen, hat der Wohnungsnutzer dies nach der Heizkostenverordnung zu dulden.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter wiesen zur Begründung auf die Vorschrift über die Pflicht zur Verbrauchserfassung hin. Aus dieser Vorschrift ergebe sich zum einen ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter, die Wohnung mit geeigneten Heizkostenerfassungssystemen auszustatten. Im Gegenzug müsse aber der Mieter alle hierfür erforderlichen Maßnahmen dulden, einschließlich des Wohnungszutritts des Vermieters (BGH, VIII ZR 170/09).

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Mietminderung: Schallschutz bestimmt sich nach Errichtung des Gebäudes

Ein Mieter kann ohne besondere vertragliche Regelung nicht erwarten, dass seine Wohnung einen Schallschutz aufweist, der über die Einhaltung der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Vorschriften hinausgeht.

So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) den Rechtsstreit eines Vermieters mit seinem Mieter. Der Vermieter hatte einen Mietrückstand geltend gemacht. Um diesen Betrag (zehn Prozent der Bruttomiete) hatte der Mieter die Miete unter anderem wegen Mängeln der Trittschalldämmung seiner Wohnung (Baujahr 2000) zur darüberliegenden Wohnung gemindert. Das Landgericht hielt die Mietminderung für rechtmäßig, weil die Wohnung wegen nicht ausreichender Trittschalldämmung mangelhaft sei. Der Sachverständige habe eine Trittschallmessung durchführen lassen und festgestellt, dass zwar die Anforderungen der DIN 4109 (1989) erfüllt seien. Hierbei handele es sich jedoch um den reinen Norm-Schallschutz, der allgemein nicht der Qualität mittlerer Art und Güte entspreche.

Die dagegen gerichtete Revision des Vermieters hatte Erfolg. Der BGH hat einen Mangel der Wohnung wegen nicht ausreichender Trittschalldämmung verneint. Mehr als die Einhaltung der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN 4109 zum Schallschutz hätte der Mieter nicht erwarten können. Fehlen – wie im entschiedenen Fall – vertragliche Vereinbarungen zur Beschaffenheit einer Wohnung, könne der Mieter nur erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich sei. Dabei seien insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Gebe es zu bestimmten Anforderungen an den Wohnstandard technische Normen, so sei (jedenfalls) deren Einhaltung vom Vermieter geschuldet. Dabei sei grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen. Vorliegend sei daher keine stärkere Dämmung geschuldet, als in der DIN 4109 von 1989 vorgegeben. Die Mietminderung sei daher unberechtigt gewesen (BGH, VIII ZR 85/09).

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Gewerbemiete: Bei unbestimmter Renovierungspflicht muss auf Arbeitsausführung geklagt werden

Hat der Mieter vertraglich die nicht näher bestimmte Pflicht übernommen, Gewerberäume für die Nutzung als Lager zu renovieren, kann der Vermieter bei Geltendmachung der Nichterbringung dieser vertraglich geschuldeten Leistung nicht im Wege des Schadenersatzes Zahlung eines Kostenvorschusses für die Renovierung verlangen.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Begründet wird dies damit, dass sich die Vereinbarung darauf beschränke, vom Mieter ein auf unterschiedlichen Wegen erreichbares Leistungsergebnis verlangen zu können. Es bestehe daher ein Wahlrecht des Mieters. Um dieses Wahlrecht zu erhalten, müsse der Vermieter den Mieter auf Arbeitsausführung verklagen, wenn er die Renovierung und Instandsetzung der Mietsache erreichen möchte. Anschließend könne er auf Grundlage eines erstrittenen Urteils entsprechend vollstrecken (OLG Koblenz, 5 U 288/10).

Zum Anfang

Haftungsrecht: Wohnungseigentümer haftet für Abfallentsorgungsgebühren

Ein Wohnungseigentümer kann auch zu Abfallentsorgungsgebühren herangezogen werden, wenn er die Wohnung vermietet hat und deshalb selbst die Abfalltonne überhaupt nicht benutzt.

Dies geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Neustadt hervor. Im entschiedenen Fall verlangte die Stadt Pirmasens von dem Eigentümer noch ausstehende Gebühren in Höhe von 278 EUR für die Jahre 2006 und 2007. Die Wohnung war bis Ende Juli 2007 vermietet. Die Mieter hatten die Abfallentsorgungsgebühren aber nur zu einem geringen Teil bezahlt. Nach erfolglosem Widerspruch gegen seine Inanspruchnahme hat der Wohnungseigentümer Klage gegen die Gebührenbescheide erhoben.

Die Richter entschieden, dass die Heranziehung des Eigentümers rechtmäßig sei. Nach der Satzung der Stadt über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Abfallentsorgung sei Schuldner der Gebühren neben dem Mieter auch der Eigentümer. Eine solche Satzungsbestimmung sei nicht zu beanstanden. Der Eigentümer sei nämlich – ggf. neben seinen Mietern, Pächtern oder ähnlichen Nutzern – sog. Abfallbesitzer und deshalb für den auf seinem Grundstück befindlichen Abfall verantwortlich. Ihm bleibe die Möglichkeit, im Rahmen des Miet- oder Pachtverhältnisses zivilrechtlich Rückgriff bei seinem Mieter oder Pächter zu nehmen (VG Neustadt, 4 K 311/10.NW).

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Verbraucherrecht

Fernabsatzgeschäft: Keine Belastung des Verbrauchers mit Kosten für Hinsendung der Ware

Der Verkäufer von Waren im Fernabsatzgeschäft (Internet etc.) darf einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware an den Verbraucher belasten, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch macht.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Rechtsstreit eines Verbraucherverbands gegen ein Versandhandelsunternehmen. Der Versandhändler stellt seinen Kunden für die Zusendung der Ware einen Versandkostenanteil von pauschal 4,95 EUR pro Bestellung in Rechnung. Der Verbraucherverband verlangt, dass er diese Kosten nicht berechnet, wenn der Kunde bei einem Fernabsatzgeschäft von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat.

Der BGH gab dem Verbraucherverband nun recht. Er hatte zunächst das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgelegt. Der sollte klären, ob die Fernabsatz-Richtlinie des Europäischen Parlaments dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat. Dies hat der EuGH bejaht. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass mit der Fernabsatz-Richtlinie eindeutig das Ziel verfolgt werde, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Deshalb liefe eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt wäre, eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider (EuGH, C-511/08). Aufgrund dieser für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung der Fernabsatz-Richtlinie durch den EuGH habe der Verbraucher einen Anspruch auf Erstattung der geleisteten Versandkosten, wenn er den Fernabsatzvertrag widerrufen hat. Dementsprechend sei es Verkäufern von Waren im Fernabsatzgeschäft verwehrt, Verbrauchern die Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch in dem Fall aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch machen (BGH, VIII ZR 268/07).

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Versicherungsrecht: Dauerhaftes Belassen des Fahrzeugscheins im Handschuhfach des Kfz

Die dauernde und von außen nicht sichtbare Aufbewahrung des Kfz-Scheins im Handschuhfach des Fahrzeugs stellt keine erhebliche Gefahrerhöhung dar. Sie führt daher nicht zur Leistungsfreiheit des Kfz-Versicherers bei Diebstahl des Fahrzeugs.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg im Streit um den Ersatz für einen entwendeten Pkw. Die Richter machten deutlich, dass es sich lediglich um eine unerhebliche Gefahrerhöhung handele, die die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls oder der Vergrößerung des Schadens – wenn überhaupt – nur unwesentlich steigere. Der Entschluss, ein Fahrzeug zu entwenden, werde in aller Regel vorab gefasst, inklusive der Überlegungen zur anschließenden Verwertung. Ob sich vielleicht ein von außen nicht sichtbarer Fahrzeugschein irgendwo im Wagen befindet, spiele dabei keine Rolle (OLG Oldenburg, 5 U 153/09).

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Reiserecht: Missverständliche Reiseunterlagen sind ein Reisemangel

Sind die Formulierungen in den Reiseunterlagen missverständlich, kann dies einen Reisemangel darstellen.

Mit dieser Begründung gab das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth einem Reisenden recht, der eine Gruppenflugreise gebucht hatte. In der Reisebestätigung des Veranstalters war als Reisezeit angegeben: „3.3.2009 bis 10.3.2009“. In einem weiteren Schreiben des Reiseveranstalters hieß es, die Abfahrt des Transferbusses zum Flughafen sei am 3.3.2009 um 20.30 Uhr. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen: „Bei Abfahrten zwischen 17:00 Uhr und 23:59 Uhr sind im Regelfall die Abfahrten am Vorabend. Bitte beachten Sie Ihre Flugzeit!“ Als Abflugzeit am Flughafen Frankfurt war angegeben: „3.3.2009, 4.00 Uhr“. Am 2.3.2009 um 20:30 Uhr wartete der Transferbus des Reiseveranstalters vergeblich auf den Reisenden, denn der ging davon aus, dass die Reise erst einen Tag später beginnen sollte. Und auch als der Busfahrer den Reisenden am späteren Abend anrief, ihn an die Abreise „erinnerte“ und sogar noch anbot, eine halbe Stunde auf ihn zu warten, mochte dieser hierauf nicht eingehen. Denn schließlich gehe er gerade zu Bett, und vollständig gepackt sei auch noch nicht. „Selber schuld“ meinte das Amtsgericht und wies dessen Klage auf Rückzahlung des Reisepreises ab. Denn der Reisende habe bei aufmerksamer Lektüre der Reiseunterlagen ohne Weiteres erkennen können, dass bei einem Abflug am 3.3.2009 um 4:00 Uhr die Abfahrt des Zubringerbusses nicht am 3.3.2009, 20:30 Uhr, sondern bereits einen Tag vorher erfolgen müsse.

Dies allerdings sah im Berufungsverfahren das LG ganz anders. Bei einer Pauschalreise stelle auch die Organisation der Reise und die Information darüber eine vertragliche Hauptpflicht des Reiseveranstalters dar. Der Reiseveranstalter müsse dem Reisenden die Informationen über Reisezeiten eindeutig und unwidersprüchlich mitteilen. Tue er das nicht, sei die Reise mangelhaft und der Kunde berechtigt, zu kündigen. So sei die Sachlage hier, denn der Reisende hätte nur durch einen Vergleich der Abflugzeit mit der Abfahrtszeit des Busses schließen können, dass eine dieser Zeiten nicht stimme. Das Risiko missverständlicher Formulierungen in den Reiseunterlagen trage nach Auffassung des LG aber allein der Reiseveranstalter. Nachdem der Reisende dem telefonischen „Weckruf“ des Busfahrers nicht nachgekommen war und damit zum Ausdruck gebracht hatte, dass er die Reise kündigen wolle, konnte er im Ergebnis den gezahlten Reisepreis ohne Abzug von Stornogebühren zurückverlangen (LG Nürnberg-Fürth, 15 S 9612/09).

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Haftungsrecht: Übelkeit im Taxi oder Eltern haften nicht immer für ihre Kinder...

Erbricht sich ein Kind in einem Taxi und verunreinigt dieses dadurch, haften die Eltern nur, wenn sie die Übelkeit ihres Kindes erkennen konnten und trotzdem nichts unternehmen, die Verunreinigung zu vermeiden.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Amtsgericht (AG) München. Auslöser war eine Taxifahrt, die ein Ehepaar mit seiner 9-jährigen Tochter unternommen hatte. Kurz nach Fahrtantritt sagte die Mutter dem Taxifahrer, dass es der Tochter schlecht ginge und der Fahrer anhalten solle. Noch bevor dieser das Fahrzeug zum Stehen bringen konnte, erbrach sich das Kind und verunreinigte hierdurch das Taxi im Bereich der Rückenlehne des Vordersitzes, der Mittellehne und des Gurtschlosses. Das Taxi musste gereinigt werden. Die Reinigungskosten betrugen 190 EUR. Während der Reinigung musste der Taxifahrer ein Ersatztaxi anmieten, um weiterarbeiten zu können. Dafür fielen 800 EUR an. Das Taxiunternehmen verlangte den Ersatz der Kosten. Diese weigerten sich jedoch. Das Erbrechen sei so plötzlich gekommen, dass die Verunreinigung nicht zu vermeiden gewesen sei. Die Tochter habe im Vorfeld nur über Müdigkeit und Halsschmerzen geklagt.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Da es keine Gefährdungshaftung für Kinder gebe, komme ein Anspruch nur in Betracht, wenn die Eltern eine allgemeine oder vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt hätten. Dies setze aber im konkreten Fall voraus, dass es für sie erkennbar gewesen sei, dass sich ihre Tochter erbrechen würde. Das könne der Taxifahrer aber nicht beweisen. Nach den geschilderten Umständen sei das Erbrechen der Tochter plötzlich und unerwartet eingetreten. Ein Verschulden der Eltern liege daher nicht vor. Zwar sei es unter menschlichen Gesichtspunkten fair, wenn die Eltern die Kosten übernehmen würden. Eine gesetzliche Pflicht bestehe jedoch nicht (AG München, 155 C 16937/09).

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Verkehrsrecht

Unfallschadensregulierung: Internetangebot kann annahmepflichtig sein

Der Geschädigte leistet dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter verwiesen allerdings auch darauf, dass sich das im Einzellfall anders darstellen könne. So könne der Geschädigte ausnahmsweise gehalten sein, von einer danach grundsätzlich zulässigen Verwertung des Unfallfahrzeugs Abstand zu nehmen. Das sei der Fall, wenn sich ihm eine wesentlich günstigere Verwertungsmöglichkeit im Rahmen des Zumutbaren biete. Hier sei er zur Geringhaltung des Schadens verpflichtet. Im vorliegenden Fall hatte die gegnerische Versicherung dem Geschädigten das erheblich günstigere Internetangebot eines Kfz-Verwerters vorgelegt, der eine kostenlose Abholung und Barzahlung zugesichert hatte. Dieses Angebot hätte der Geschädigte nach Ansicht der Richter annehmen müssen (BGH, VI ZR 316/09).

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Winterbereifungspflicht: Kein Bußgeld für Sommerreifen im Winter

Der Bußgeldtatbestand der Straßenverkehrsordnung, nach dem ein Fahren mit Sommerreifen bei winterlichen Wetterverhältnissen mit einem Bußgeld zu versehen ist, ist verfassungswidrig.

Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg betraf einen Autofahrer, der im November mit Sommerreifen unterwegs war. Beim Überfahren einer Eisfläche kam sein Fahrzeug ins Rutschen und schlitterte in das Schaufenster eines Geschäfts. Das Amtsgericht verurteilte ihn zu einer Geldbuße von 85 EUR. Er sei mit nicht angepasster Geschwindigkeit und einer nicht den Wetterverhältnissen angepassten Bereifung gefahren. Da sich Eis auf der Straße befunden habe, hätte er mit Winterreifen fahren müssen. Der betroffene Autofahrer vertrat die Auffassung, der Unfall hätte sich auch mit Winterreifen ereignen können und legte Beschwerde vor dem OLG ein.

Das OLG entschied, dass der entsprechende Ordnungswidrigkeitentatbestand in der Straßenverkehrsordnung über die Pflicht zu einer den Wetterverhältnissen angepassten Bereifung in seiner konkreten Ausgestaltung verfassungswidrig sei. Es liege ein Verstoß gegen das verfassungsmäßig gebotene Bestimmtheitsgebot vor. Der Gesetzgeber müsse die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit bzw. eine Ordnungswidrigkeit so konkret umschreiben, dass der Anwendungsbereich für den Einzelnen erkennbar sei oder sich durch Auslegung ermitteln lasse. Dies sei bei der betroffenen Vorschrift jedoch nicht der Fall. Weder gesetzlichen noch technischen Vorschriften sei zu entnehmen, welche Eigenschaften Reifen für bestimmte Wetterverhältnisse haben müssen. Das gelte auch für Winterreifen. Der Gesetzgeber habe gerade keine generelle Winterreifenpflicht für die Wintermonate geregelt. Ungeklärt sei insbesondere, ob auch Sommerreifen für winterliche Witterungsverhältnisse im Sinne der Vorschrift geeignet sein können. Sogenannte Sommerreifen würden von vornherein kaum auf Schnee- und Glättetauglichkeit geprüft. Bei einem Winterreifentest im Jahr 2005 seien nur zwei Sommerreifen getestet worden, die sich beim Fahren auf Eis sogar als geeignet erwiesen hätten. Für den Bürger sei daher nicht eindeutig erkennbar, welche Reifen als „ungeeignete Bereifung bei winterlichen Wetterverhältnissen“ anzusehen seien. Diese Unklarheit hätte der Gesetzgeber durch eine klare Anordnung vermeiden können. Denkbar sei beispielsweise eine klare Anordnung von Winterreifen bei „Wetterverhältnissen, bei denen Eis und/oder Schnee möglich sind“ (OLG Oldenburg, 2 SsRs 220/09).

Hinweis: Durch diese Entscheidung wird nicht in Frage gestellt, dass bei winterlichen Temperaturen, insbesondere aber bei Schnee und Eis, M+S Reifen oder Reifen mit Schneeflockensymbol benutzt werden sollten, um Unfälle möglichst zu vermeiden. Wer sich anders verhält, riskiert nicht nur haftungs- und versicherungsrechtliche Nachteile, ihm droht darüber hinaus – vor allem, wenn andere bei einem Verkehrsunfall verletzt werden – weiter die Verfolgung wegen einer Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit. Das Fahren mit Sommerreifen im Winter, das zu keiner konkreten Verkehrsgefährdung führt, bleibt aber sanktionslos.

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Haftungsrecht: Steinschlag bei Mäharbeiten

Wird bei Mäharbeiten ein Stein auf die Fahrbahn geschleudert, haftet die Straßenbaubehörde für einen dadurch entstandenen Schaden.

So entschied das Landgericht (LG) Coburg im Fall eines Kfz-Besitzers. Dieser hatte behauptet, dass durch einen bei Mäharbeiten an einer Verkehrsinsel hochgeschleuderten Stein sein Fahrzeug beschädigt worden sei. Die verklagte Straßenbaubehörde verteidigte sich damit, dass sie nicht wisse, ob der eingetretene Schaden im Zusammenhang mit den Mäharbeiten stehe. Weitere Sicherungsvorkehrungen hielt sie weder für wirtschaftlich zumutbar noch für erforderlich. Es sei ausreichend, dass ihr Mitarbeiter vor dem Mähen des Verkehrskreisels die Rasenfläche auf Steine überprüft habe.

Das sah das LG anders. Zum einen war das erkennende Gericht davon überzeugt, dass der Schaden in Höhe von etwa 950 EUR durch einen bei den Mäharbeiten aufgeschleuderten Stein verursacht worden war. Dies ergebe sich zum einen aus der Aussage der Ehefrau des Autobesitzers, die das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Beschädigung fuhr. Zum anderen habe der mit den Mäharbeiten betraute Mitarbeiter der Straßenbehörde bestätigt, dass er beim Vorbeifahren einen lauten Schlag gehört habe. Die Ehefrau habe ihr Fahrzeug auch sofort angehalten. Dabei sei ein Schaden im hinteren Bereich der Fahrerseite festgestellt worden. Die Richter waren auch davon überzeugt, dass eine Amtspflichtverletzung vorliegt. Zwar könnten von einer Behörde nur solche Sicherungsmaßnahmen verlangt werden, die mit einem vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Aufwand erreichbar seien und nachweislich zu einem besseren Schutz führten. Im vorliegenden Fall habe das Gericht jedoch Möglichkeiten gesehen, die mit den Mäharbeiten verbundenen Gefahren weiter zu minimieren. Nach Auffassung des Gerichts seien verschiedene zumutbare und geeignete Maßnahmen denkbar. Bei der räumlich eng begrenzten Verkehrsinsel könne kurzfristig eine Sperrung des betroffenen Straßenbereichs vorgenommen werden. Auch könnten die Mäharbeiten bei sich annäherndem Verkehr auf der nahe gelegenen Fahrspur kurz unterbrochen werden. Außerdem habe das Gericht weitere Möglichkeiten zum Schutz vorbeifahrender Fahrzeuge aufgezeigt. Dabei habe es ausgeführt, dass es nicht seine Aufgabe sei, jede einzelne Möglichkeit detailliert auf ihre Brauchbarkeit zu untersuchen. Entscheidend sei, dass es wirksame und zumutbare Möglichkeiten überhaupt gebe. Daher gab das Gericht der Klage statt (LG Coburg, 22 O 48/10).

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Rotlichtverstoß: Keine Bußgelderhöhung wegen besonders langer Dauer des Rotlichts

Bei einem sog. qualifizierten Rotlichtverstoß kann die Geldbuße nicht mit der Begründung erhöht werden, die Rotlichtdauer sei „überaus lang“ gewesen.

Diese Klarstellung traf das Kammergericht (KG) im Falle eines Autofahrers. Das Amtsgericht hatte ihn wegen eines Rotlichtverstoßes verurteilt. Es hatte u.a. eine gegenüber dem Regelsatz des Bußgeldkatalogs erhöhte Geldbuße festgesetzt und das mit dem Hinweis auf die „überaus lange Rotlichtdauer“ begründet. Die Rechtsbeschwerde des Autofahrers hatte hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg.

Das KG begründete seine Entscheidung damit, dass die vom Bußgeldkatalog unter Nr. 132.2 a.F. vorgesehene Regelbuße von 125 EUR für einen sog. qualifizierten Rotlichtverstoß gelte, bei dem im Zeitpunkt des Überquerens der Haltelinie das Rotlicht schon länger als eine Sekunde angedauert hat. Diese Regelbuße sei gegenüber sog. einfachen Rotlichtverstößen erhöht, bei denen ein Rotlicht bei kürzerer Dauer der Rotlichtphase missachtet wird. Mithin sei bei der Regelbuße für einen qualifizierten Rotlichtverstoß bereits die erhöhte abstrakte Gefahr durch die lange Dauer der Rotlichtphase berücksichtigt. Für eine weitere Erhöhung wegen einer besonders langen Dauer der Rotlichtphase sei daneben kein Raum mehr. Grund für die erhöhte Geldbuße beim qualifizierten Rotlichtverstoß sei, dass sich bei der länger als eine Sekunde dauernden Rotlichtphase bereits Querverkehr in der Kreuzung befinden kann. Im Falle einer – wie vom Amtsgericht angenommen – bereits sieben Sekunden anhaltenden Rotlichtphase sei aber keine darüber hinaus gehende abstrakte Gefahr ersichtlich (KG, 2 Ss 267/09).

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Steuerrecht

Häusliches Arbeitszimmer: Regelung ab 2007 teilweise verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die seit 2007 verschärfte Abzugsbeschränkung beim häuslichen Arbeitszimmer als verfassungswidrig eingestuft, soweit für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Neuregelung verstößt insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, als die Aufwendungen auch in diesen Fällen von der steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen sind.

Hintergrund

Zum besseren Verständnis, vorab die unterschiedlichen Regelungen:

Wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, sind die Aufwendungen ohne Höchstgrenze abzugsfähig.

Zentrale Aussagen des BverfG

Sofern betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind, bedarf dies nach dem objektiven Nettoprinzip eines besonderen sachlichen Grundes. Die vom Gesetzgeber mit der Neuregelung beabsichtigte Haushaltskonsolidierung ist dabei ebenso wenig ein Grund wie die angestrebte Verwaltungsvereinfachung. Der Nachweis und die Kontrolle eines mangelnden alternativen Arbeitsplatzes durch Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers ist nämlich unkompliziert und liefert eine leicht nachprüfbare Basis für die Feststellung der beruflichen Nutzung.

Nicht verfassungswidrig ist hingegen das ab 2007 eingeführte Abzugsverbot, soweit die berufliche oder betriebliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit beträgt. Dies verstößt nach Auffassung des BVerfG nämlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.

Welche Aufwendungen sind abzugsfähig?

Von dem Urteil profitieren also nur die Steuerpflichtigen, denen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Nachfolgend einige Beispiele:

Von den Abzugsbeschränkungen sind nach wie vor die als Arbeitsmittel zu qualifizierenden Gegenstände, z.B. Schreibtisch, Computer etc.

Befindet sich das Arbeitszimmer z.B. räumlich getrennt vom übrigen Privatbereich in einem Mehrfamilienhaus, liegt oftmals ein außerhäusliches Arbeitszimmer vor, sodass die Kosten nicht den Abzugsbeschränkungen unterliegen. Die Abgrenzung zwischen häuslichen und außerhäuslichen Arbeitszimmern hängt vom Einzelfall ab und beschäftigt schon seit Jahren die Gerichte.

Vorläufige Steuerfestsetzungen

Nach den Äußerungen der Finanzverwaltung ist bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung u.a. wie folgt zu verfahren:

Ausblick: Der Gesetzgeber muss den verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 1.1.2007 beseitigen. Ob der bis 2006 geltende Höchstbetrag von 1.250 EUR erneut eingeführt wird oder ob der Gesetzgeber bei der angeordneten Neufassung über die Vorgaben des BVerfG hinausgeht, ist derzeit offen (BVerfG, 2 BvL 13/09; BMF-Schreiben, IV A 6 -S 2145 – 71/03; BMF-Schreiben „Fragen und Antworten zur Absetzbarkeit von Arbeitszimmern“; BMF-Schreiben, IV A 3 – S 0338/07/10010-03).

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Entlastungsbetrag: Aktuelle Rechtsprechung eröffnet Gestaltungspotenzial

Nach der gesetzlichen Regelung können alleinstehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308 EUR im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen Kindergeld zusteht. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs steht der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende auch dann nur einem Elternteil zu, wenn sich das Kind in annähernd gleichem Umfang abwechselnd bei seinen getrennt lebenden Eltern aufhält.

Nach Meinung der Finanzverwaltung kann nur derjenige Elternteil den Entlastungsbetrag abziehen, dem das Kindergeld ausgezahlt wird. Das sieht der Bundesfinanzhof jedoch anders: Hält sich das Kind in den Haushalten seiner getrennt lebenden Eltern in annähernd gleichem Umfang auf, können die Eltern einvernehmlich bestimmen, wer den Entlastungsbetrag geltend macht – es sei denn, ein Elternteil hat bei seiner Einkommensteuerfestsetzung oder durch Vorlage einer Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse II bei seinem Arbeitgeber den Entlastungsbetrag bereits in Anspruch genommen. Sollten sich die Eltern nicht einigen können, steht der Entlastungsbetrag demjenigen Elternteil zu, der das Kindergeld erhält.

Hinweis: Das Urteil des Bundesfinanzhofs bietet Gestaltungsmöglichkeiten. So kann der Entlastungsbetrag von demjenigen Elternteil abgezogen werden, für den sich die größere Steuerersparnis ergibt (BFH, III R 79/08).

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Erbschaftsteuer: Nachversteuerung auch bei (Not-)Verkauf

Um die Unternehmensnachfolge zu erleichtern, kann Unternehmensvermögen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer steuerbegünstigt übertragen werden. Doch aufgepasst, soweit der Erwerber gegen die Behaltensfristen verstößt, kommt es zu einer anteiligen Nachversteuerung. Und zwar auch dann, wenn die Betriebsveräußerung zwangsweise erfolgt.

In dem aktuellen Urteil konnte ein minderjähriger Erbe eine Arztpraxis wegen der erforderlichen Berufsqualifikation nicht fortführen und veräußerte sie. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs war die durch die Finanzverwaltung vorgenommene Nachversteuerung rechtens.

Beachte: Das Urteil basiert zwar auf der Rechtslage vor der Erbschaftsteuerreform 2009. Für die neuen Behaltensfristen von fünf bzw. sieben Jahren dürfte es aber ebenso wenig auf eine persönliche oder betriebliche Zwangslage ankommen. Nach der aktuellen Rechtslage gibt es bei der Übertragung von Unternehmensvermögen ein Wahlrecht:

Hinweis: Bei einem Unternehmenswert von bis zu 1 Mio. EUR wird bei der 1. Varianteeine vollständige Steuerentlastung erzielt.

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Dienstwagen: Vermutete Privatnutzung reicht für Besteuerung nicht aus

In einem aktuellen Urteil entschied der Bundesfinanzhof, dass die Privatnutzung eines Firmenwagens nur dann zu versteuern ist, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer auch tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlässt. Wird ein Pkw zu betrieblichen Zwecken bereitgestellt, kann nicht aufgrund eines Anscheinsbeweises darauf geschlossen werden, dass der Pkw vom Arbeitnehmer auch privat genutzt werde.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt betrieb der Steuerpflichtige eine Apotheke. Im Betriebsvermögen befanden sich sechs Pkw, die für betriebliche Fahrten zur Verfügung standen. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Im Anschluss an eine Lohnsteuerprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass der Sohn das teuerste der sechs betrieblichen Pkw auch privat nutze und ermittelte einen steuerpflichtigen Sachbezug nach der Ein-Prozent-Regel. Vor dem Finanzgericht machte der Steuerpflichtige geltend, dass die Mitarbeiter und auch sein Sohn die betrieblichen Pkw nicht privat sondern nur betrieblich genutzt hätten. Ferner sei die Privatnutzung arbeitsvertraglich verboten gewesen. Dem folgte das Finanzgericht nicht, da der Beweis des ersten Anscheins auch für eine private Nutzung des Dienstwagens spreche. Der Bundesfinanzhof hingegen hob die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das Finanzgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück.

Hinweis: Mit diesem Urteil hat der Bundesfinanzhof der Anwendung des Anscheinsbeweises eine Grenze gesetzt. Das heißt, steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar typischerweise davon auszugehen, dass ein dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird. Weiter reicht dieser allgemeine Erfahrungssatz aber nicht (BFH, VI R 46/08).

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Aufteilung gemischter Aufwendungen: Neue Sichtweise der Verwaltung

Infolge der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat die Finanzverwaltung ihre neue Auffassung zur steuerlichen Beurteilung gemischter Aufwendungen in einem ausführlichen Schreiben veröffentlicht. Demnach können die Aufwendungen nach Veranlassungsbeiträgen aufgeteilt werden, soweit die betriebliche oder berufliche Mitveranlassung 10 % oder mehr beträgt. Dies gilt für alle Einkunftsarten und für die verschiedenen Arten der Gewinnermittlung.

Hintergrund

Vor knapp einem Jahr hatte der Große Senat des Bundesfinanzhofs seine Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit gemischt veranlasster Aufwendungen geändert und das Aufteilungsverbot gekippt. Dies hat zur Folge, dass Aufwendungen für beruflich und privat veranlasste Reisen in größerem Umfang als bisher als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar sind.

Generelles Abzugsverbot

Die Finanzverwaltung weist darauf hin, dass ein generelles Abzugsverbot weiterhin für Aufwendungen besteht, bei denen eine Trennung in privat und dienstlich nicht möglich ist, weil sie so ineinander greifen, dass noch nicht einmal eine Schätzung erfolgen kann. Das gilt etwa für das Abonnement einer überregionalen Zeitung, auch wenn diese umfassend über die beruflichen Dinge informiert. Keine Seite kann nämlich ausschließlich dem betrieblichen Bereich oder dem privaten Interesse zugeordnet werden (BMF-Schreiben, IV C 3 – S 2227/07/10003 :002).

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Wirtschaftsrecht

Werbung: Wer mit langjähriger Tradition wirbt, muss auch welche haben

Werbung mit einer „110-jährigen Möbeltradition“ enthält eine Qualitätsaussage, die geeignet ist, die Kaufentscheidung der Verbraucher zu beeinflussen. Wenn ein Unternehmen daher mit einer solchen Aussage wirbt, muss es auch auf einen entsprechend langen Bestand zurückblicken können. Ist das nicht der Fall, ist jede Werbung damit unzulässig.

Das entschied das Oberlandesgericht Oldenburg im Fall eines Möbelunternehmens. Dieses hatte mit „110 Jahre Familientradition“ und „110 Jahre Möbeltradition“ geworben und aus Anlass des „Jahrhundert“-Jubiläums entsprechende Sonderangebote gemacht. Ein Wettbewerbsverein hat darauf vom Möbelunternehmen die Unterlassung der Werbung verlangt.

Der Antrag war erfolgreich. Die Richter entschieden, dass die Werbung mit zutreffenden Hinweisen auf einen langzeitigen Bestand und Erfolg eines Unternehmens als sogenannte „Alters- oder Traditionswerbung“ grundsätzlich zulässig sei, weil damit eine besondere unternehmerische Leistung hervorgehoben werde. Dies müsse jedoch auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Die Werbung sei im zu entscheidenden Fall irreführend, weil das werbende Unternehmen erst 1992 gegründet worden sei und damit gerade nicht auf eine 110-jährige Geschichte zurückblicken könne. Es sei nicht ausreichend, dass es möglicherweise eine 110-jährige Tradition in der Familie der Gesellschafter gebe oder es bei einem anderen, von Familienmitgliedern geführten Geschäft eine 110-jährige Möbeltradition gebe (OLG Oldenburg, 1 W 12/10).

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AG: Anfechtung gegen Hauptversammlungsbeschluss ist nur durch Berechtigten möglich

Auf Nichtigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung kann nur von einer berechtigten

Person geklagt werden.

Als solche kommen nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf nur Aktionäre oder Personen in Betracht, die zur Hauptverhandlung zugelassen worden sind. Habe eine solche Zulassung nicht stattgefunden, könne nach Ansicht der Richter eine Antragsbefugnis nur innehaben, wer zu Unrecht nicht zugelassen worden ist. Für einen nicht zugelassenen Eigenbesitzer streite in einem solchen Falle zwar die Vermutung, dass im Zeitpunkt des Besitzerwerbs der Aktien auch eine materielle Berechtigung als Gesellschafter erlangt worden sei. Diese könne jedoch widerlegt werden, wenn die Aktien abhandengekommen seien und die verbrieften Rechte nicht übertragen worden seien (OLG Düsseldorf, I-6 U 99/09).

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Statusfeststellungsverfahren: Aufwendungen sind Werbungskosten

Stehen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem gesetzlich normierten Anfrageverfahren des Sozialgesetzbuchs (sogenanntes Statusfeststellungsverfahren) sind sie nach Auffassung des Bundesfinanzhofs als Werbungskosten abzugsfähig.

Im vorliegenden Sachverhalt schloss ein GmbH-Geschäftsführer mit einem Beratungsunternehmen eine Vereinbarung über eine betriebswirtschaftliche Beratung. Gegenstand dieser Beratung war die Frage, ob für seine Tätigkeit als Geschäftsführer Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt werden müssen. Da keine Sozialversicherungspflicht vorlag und die ursprünglich abgeführten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung erstattet wurden, machte die Unternehmensberatung das vertraglich vereinbarte Erstattungshonorar geltend.

Diese Kosten berücksichtigte der Bundesfinanzhof als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit, da die Frage der Sozialversicherungspflicht das Arbeitsverhältnis und damit die Ebene der Einkommenserzielung betrifft (BFH, VI R 25/09).

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Herstellungskosten: Steuerliche Untergrenze bleibt vorerst weiter gültig

Unter Herstellungskosten versteht man allgemein die Aufwendungen, die für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes bzw. eines Wirtschaftsgutes angefallen sind. Aus welchen Aufwendungen sich die Herstellungskosten derzeit und zukünftig zusammensetzen, wird nachfolgend verdeutlicht.

Derzeitige Rechtslage

Zur steuerlichen Herstellungskostenuntergrenze gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist.

Diese Untergrenze hat in der Praxis die größte Bedeutung. Da grundsätzlich ein möglichst niedriger steuerlicher Gewinn angestrebt wird, werden nur die notwendigen Kosten aktiviert, die restlichen Kosten bleiben im Aufwand und sind damit sofort abzugsfähig. Darüber hinaus bietet sich dieser Wert an, weil er sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz angesetzt werden kann. Der Vorteil liegt hier in der Wirtschaftlichkeit, da die Ermittlung der Herstellungskosten zum Teil sehr arbeitsintensiv ist.

Ausblick

Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wurden die Regeln zur Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz geändert. Zu den Auswirkungen hat sich die Finanzverwaltung erstmals im März dieses Jahres geäußert.

Danach sollen in die steuerliche Herstellungskostenuntergrenze auch angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebes, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung fließen. Das bedeutet de facto eine Aktivierungspflicht anstelle des bisherigen Aktivierungswahlrechts.

Ursprünglich sollte die neue Herstellungskostenuntergrenze bereits für den Veranlagungszeitraum 2009 gelten. In dem nun veröffentlichten Schreiben macht die Finanzverwaltung zumindest einen zeitlichen Rückzieher. Es wird nämlich nicht beanstandet, wenn die bisherige steuerliche Herstellungskostenuntergrenze für Wirtschaftsjahre, die vor der Veröffentlichung einer geänderten Fassung der Einkommensteuer-Richtlinien enden, weiter angewendet wird.

Hinweis: Bei der handelsrechtlichen Bilanzierung besteht für die vorgenannten Aufwendungen (Kosten der allgemeinen Verwaltung etc.) – auch nach BilMoG – ein Aktivierungswahlrecht. Sofern in der Handels- und Steuerbilanz ein einheitlicher Ansatz angestrebt wird, müssen Unternehmen zukünftig (nach der geänderten Richtlinienfassung) auch in der Handelsbilanz den Vollkostenansatz wählen (BMF, IV C 6 – S 2133/09/10001).

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Vorsteuervergütung 2009: Antrag ist bis zum 30.9.2010 zu stellen

Die Mitgliedstaaten der EU erstatten inländischen Unternehmern unter bestimmten Voraussetzungen die dort gezahlte Umsatzsteuer. Die Frist für den Erstattungsantrag der in 2009 gezahlten ausländischen Umsatzsteuer endet zum 30.9.2010. Dies erfolgt – anders als in den Vorjahren – nicht über die jeweils zuständige ausländische Finanzbehörde, sondern erstmals über ein neues Online-Portal beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

Insbesondere bei Geschäftsreisen im Ausland werden Unternehmer oftmals mit ausländischer Umsatzsteuer belastet (z.B. durch die in der Tankrechnung enthaltene Umsatzsteuer). Ist der Unternehmer im Ausland nicht für umsatzsteuerliche Zwecke registriert, kann er die Vorsteuerbeträge durch das Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltend machen. Bei Vorsteuer-Vergütungsverfahren innerhalb der EU sind ab 2010 zahlreiche Neuerungen zu beachten.

Die Anträge sind elektronisch über das Online-Portal des BZSt einzureichen. Das BZSt prüft die Anträge, insbesondere die Unternehmereigenschaft des Antragstellers. Nicht zu beanstandende Anträge werden über eine elektronische Schnittstelle an die ausländische Erstattungsbehörde weitergeleitet. Dort erfolgt die abschließende Bearbeitung.

Nach Artikel 10 der Richtlinie zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer ist eine eingescannte Rechnungskopie nur nötig, wenn das Entgelt für den Umsatz mindestens 1.000 EUR – bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250 EUR – beträgt. Viele Staaten haben dies eins zu eins umgesetzt. Im Einzelfall lohnt sich jedoch ein Blick in die Präferenzliste der EU-Mitgliedstaaten, die auf den Internetseiten des BZSt heruntergeladen werden kann.

Die Mindestbeträge für Jahresanträge oder Anträge für den letzten Zeitraum eines Jahres wurden von bisher 25 EUR auf 50 EUR angehoben. Stellt der Unternehmer im Laufe eines Jahres einen Antrag für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten, gilt ein Mindestbetrag von 400 EUR.

Hinweis: Die Regeln für Anträge zwischen Drittländern bleiben unverändert. Das gilt auch für die Antragsfrist von sechs Monaten sowie für die Übermittlung der Rechnungen im Original (BMF-Schreiben, IV B 9 – S 7359/09/10001; Richtlinie 2008/9/EG vom 12.2.2008).

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Abschließende Hinweise

Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Dezember 2010 beträgt 0,12 Prozent.

Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

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Steuertermine im Monat September 2010

Im Monat September 2010 sollten Sie folgende Steuertermine beachten:

Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer – mittels Barzahlung – bis zum 10.9.2010 und – mittels Zahlung per Scheck – bis zum 7.9.2010.

Lohnsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Lohnsteuer – mittels Barzahlung – bis zum 10.9.2010 und – mittels Zahlung per Scheck – bis zum 7.9.2010.

Einkommensteuerzahler (vierteljährlich): Vorauszahlung – mittels Barzahlung – bis zum 10.9.2010 und – mittels Zahlung per Scheck bis zum 7.9.2010.

Kirchensteuerzahler (vierteljährlich): Vorauszahlung – mittels Barzahlung – bis zum 10.9.2010 und – mittels Zahlung per Scheck bis zum 7.9.2010.

Körperschaftsteuerzahler (vierteljährlich): Vorauszahlung – mittels Barzahlung – bis zum 10.9.2010 und – mittels Zahlung per Scheck bis zum 7.9.2010.

Bitte beachten Sie: Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung auf das Konto des Finanzamtes endet am 13.9.2010. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Barzahlung und Zahlung per Scheck gilt!

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